Montag, 22.10.2018

Zur Initiative "Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen" in der Schweiz

Eine Stellungsnahme von Max

 

Auf der Seite http://www.kinder-schuetzen.ch bewerben die Initiatoren der aktuellen Volksinitiative in der Schweiz eine Gesetzesänderung zu deren Titel niemand "Nein" sagen kann: Kinder schützen. Das Schlimme an derart populistischen Sprüchen ist: wenn man doch Nein sagt sitzt einem das schlechte Gewissen oder auch der Nachbar im Nacken, wie auch immer, jedenfalls mit dem Gedanken: "Willst du denn Kinder nicht schützen? Schande über dein Haupt!" Ich frage mich, ob sich die Initiatoren vor Verfassen der Initiative je sachlich über Pädophilie und Sexualstraftaten informiert haben, und darüber, wie man Taten sinnvoll verhindern kann.

Fakt ist: Menschen, die eine Gefahr für Kinder darstellen, haben nichts in der Kinderbetreuung zu suchen! Sexualstraftäter von solchen Tätigkeiten auszuschließen ist in unseren Augen absolut sinnvoll: Dazu haben wir auch ausführliche Texte schon seit Jahren online unter Pädophilie und Berufswahl. Ob eine lebenslange Sperre per Gesetz für sie alle sinnvoll ist und unter welchen Bedingungen wie genau wer gesperrt werden sollte ist dagegen fraglich ‒ darauf kann ich nicht antworten und deswegen lasse ich dies hier unberührt. Die Rückfallquoten geben einen kleinen Hinweis, siehe unten.

Der Initiativtext erscheint ersteinmal sinnvoll doch schon hier fällt eins auf: ferngehalten sollen die von dem Gesetz betroffenen Personen von Tätigkeiten "mit Minderjährigen oder Abhängigen". Wenn man bedenkt, dass die Initiative sich nach Natalie Rickli ausdrücklich nur gegen Pädophile richtet, welcher Sinn bestünde dann darin, sie von Berufen rund um die Betreuung von Erwachsenen auszuschließen zum Beispiel Altenpflege? Oder zielt die Gesetzesänderung... Halt. Im Text steht eigentlich GAR NICHTS von Pädophilie sondern sehr allgemein ist die Rede von "Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben". Warum dann immer die Beteuerungen es gehe einzig und ausschließlich um "pädophile Sexualstraftäter" unten auf derselben Website und in den Medien?

Das wird von den Vertretern der Initiative so sehr betont, dass beim Betrachten der Berichterstattung zum Thema der Eindruck entsteht, die Taten pädophiler Sexualstraftäter seien verwerflicher als identische Taten an Kindern durch nicht-pädophile Täter. Diese Struktur macht die Schwere der Tat von einer Eigenschaft des Täters abhängig (wenn auch vorerst nur in den Köpfen der Menschen), die gemäß der Wissenschaft an Wahlfreiheit und Aussagekraft über die Persönlichkeit auf einer Ebene ist mit hetero- oder homosexueller Ausrichtung, Geschlecht, Augenfarbe oder Volkszugehörigkeit. Es ergibt sich da eine erschreckende Parallele zum gesellschaftlichen Klima einer Epoche, die jetzt um die 80 Jahre her ist...

Interessante Hintergrundinfo dazu: Ersatzhandlungstäter, also Kindesmissbraucher die nicht pädophil sind, machen den viel größeren Teil der Missbrauchstäter aus. Der Initiativtext würde sie genauso treffen wie pädophile Sexualstraftäter, die Aussagen der Vertreter der Initiative in den Medien nicht!

 

So weit zum Initiativtext. Der Rest der Seite ist ‒ entschuldigen Sie den Ausdruck ‒ gequirlte Scheiße. Wieso? Die Initiatoren verwenden einzig eine emotionale Argumentationsweise ohne jeden Bezug zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und klinischen Erfahrungswerten.Es ist fraglich, ob sie jemals eine Definition zu einem der Schlagworte gelesen haben, die sie auf der Seite verwenden.

Fangen wir vorn an: "Pädophile sind oft Wiederholungstäter" ‒ Eine haltlose Unterstellung ganz am Anfang. Pädophile Kindesmissbraucher sollen meist Wiederholungstäter sein, ja. Aber die meisten Pädophilen werden sogar nie zum Täter.

Dies war Lüge Nummer eins, und die zweite folgt sogleich: "Pädophile Sexualstraftäter [...] sind eine permanente Gefahr." ‒ Woher nehmen die Initiatoren diese Unterstellung? Meine letzten Informationen sind die, dass nur Mörder allein eine geringere Rückfallquote hätten als Sexualstraftäter insgesamt.

Die Unterstellung, Pädophile seien eine permanente Gefahr wird aber weiter unten noch auf äußerst fantasievolle Art begründet nämlich damit: "Pädophilie ist nicht heilbar" ‒ stimmt an sich, wird hier aber in einen falschen Zusammenhang gepackt: die Neigung ist nicht wegtherapierbar, aber übergriffiges Verhalten ist nach Aussage verschiedenster Experten (Beier, Cantor, Ahlers, Osterheider, Bosinski etc) sehr wohl steuerbar und kann therapeutisch gut angegangen werden.

Die Schlussfolgerung am Ende "Ein befristetes Verbot bringt nichts: Die Neigungen eines Pädophilen verändern sich in dieser Zeit nicht" verdreht wieder die Zusammenhänge, die wir zur Genüge auf unserer Website SuH dargestellt haben, so wie sie vom aktuellen Stand der Forschung bestätigt werden.

"Die Initiative zielt einzig auf pädophile Straftäter" ‒ Das wurde oben schon angesprochen: der Initiativtext spricht eindeutig weder allein Verbrechen an Kindern noch Verbrechen ausschließlich pädophiler Menschen an. Es scheint die Politiker hinter der Initiative haben außer den gesicherten Fakten über ihr Thema auch den eigenen Initiativtext nicht gelesen. Nur nebenbei bemerkt: Die angesprochenen Argumente der Gegner schildern interessanterweise sämtlichst Situationen von Übergriffen und einvernehmlichen Kontakten älterer männlicher Jugendlicher oder Erwachsener auf jugendliche Mädchen. Missbrauch durch Frauen wird ausgeblendet.

Es folgen die zwei dreistesten Behauptungen in den Ausführungen dieser Website:

  • "Die Initiative stellt die Interessen der Kinder ins Zentrum." ‒ Im Gegenteil: Diese Initiative benutzt Kinder um Unterschriften, Stimmen und Aufmerksamkeit zu erhaschen.

  • "Stören sich Pädophile am vorgeschlagenen Tätigkeitsverbot, heisst dies nichts anderes, als dass sie gerne wieder mit Kindern arbeiten möchten." ‒ Wow, warum haben sie eine solche infame und haltlose Unterstellung nötig? Bei diesem Satz blieb mir beim Lesen echt die Luft weg. An ihm zeigt sich nämlich wes Geistes Kind die ganze Aktion ist: es wird eine Reihe von Behauptungen aufgestellt und so formuliert, dass man nicht gerne Nein dazu sagen will (es geht ja schließlich um KINDER!). Sinnvoll begründet wird keine einzige aber dafür wird am Ende verallgemeinernd ein Feindbild geschaffen das auf ALLE Ju... sorry Pädophilen zielt: "Wenn soundso, dann (sagt uns ja der gesunde Menschenverstand) kann keiner widersprechen dass soundso!" Werte Frau Rickli: Ja, ich arbeite gern ehrenamtlich mit Kindern und ich weiß selbst sinnvolle Grenzen zu setzen.

Zum Schluss weisen die Damen und Herren selbst auf eine wesentliche Schwachstelle ihres Engagements hin: "So können Opfer verhindert und weitere Straftaten vermieden werden." ‒ Ja, diese Initiative würde ein paar Opfer verhindern: Nämlich einige "weitere Straftaten" und zwar auf dem Rücken der Kinder, die die ersten Straftaten ertragen mussten, und auf dem Rücken derjenigen, die diese Streubombe von Propaganda ungerechtfertigterweise auch trifft: nicht-übergriffige Pädophile. Auf dem Rücken der Kinder, weil zugleich die Primärprävention in der Schweiz brachliegt und durch das Schüren von Vorurteilen durch die Verfechter der Initiative direkt behindert wird. Dadurch zugleich auf dem Rücken der nicht-übergriffigen Pädos, die sie undifferenziert beschimpfen und verleumden.

An die Vertreter dieser Initiative: Sie schaffen mit Ihren Worten vor allem Feindbilder. Feindbilder haben noch nie eine Gesellschaft vorwärts gebracht. Es gibt viele Möglichkeiten Kinder sinnvoll zu schützen, Propaganda wie die Ihre gehört eindeutig nicht dazu, denn sie wiegt Menschen in einer Scheinsicherheit.

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© 2014 Max

aktualisiert: 01.01.2015